Ägypten und Marokko-so unterschiedlich, aber auch so ähnlich ist Nordafrika

Die jüngste Delegationsreise des Vizekanzlers und Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel führte eine 120-köpfige Wirtschaftsdelegation vom 16. bis 19. April nach Ägypten/Kairo und das Königreich Marokko/Rabat. Als Vertretung des deutschen Mittelstandes war der BVMW-einmal mehr eingeladen und ich konnte als Begleitung von Präsident Mario Ohoven wie die übrigen Reiseteilnehmer sehr zwiespältige Eindrücke mit nach Hause nehmen.

Unbestritten sind die Chancen für die deutsche Wirtschaft in beiden Ländern gewaltig. Während Ägypten, unterstützt von Geldgebern aus den angrenzenden Golfstaaten, auf Megaprojekte im Bereich der Infrastruktur setzt-angefangen vom Ausbau des Suez-Kanals, der in Rekordzeit von einem Jahr statt der angesetzten drei Jahre fertiggestellt wurde, über den Ausbau der Stromversorgung durch Siemens mit einem Volumen von 8,5 Mrd. € bis hin zur Planung neuer Städte – eine neue Hauptstadt 45 km östlich von Kairo, Industrieansiedlungen am Suez-Kanal, hat Marokko bereits einen strategischen Plan in die Tat umgesetzt, der seinesgleichen sucht: Ausgehend von einem Anteil von über 95% fossiler Energieträger will Marokko bis 2020 42% seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien beziehen und 2030 sollen es sogar über 50% sein!

Was die Herausforderungen betrifft, so steht in beiden Ländern das Bildungsthema ganz weit oben. Ob es nun eine knappe Million neuer Arbeitsplätze pro Jahr sind, die in Ägypten geschaffen werden müssen oder die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit, die in Marokko bei über 18% liegt. Bei der Beurteilung der Herausforderungen sind sich alle Beteiligten einig: Gerade die jungen Leute brauchen wirtschaftliche Perspektiven vor Ort, sonst machen sie sich auf den Weg in den Norden – zu uns.

Die Tatsache, dass der afrikanische Kontinent seine Bevölkerungszahl von 1 Mrd. Menschen auf über 2 Mrd. bis zum Jahr 2050 verdoppeln wird und von dieser zusätzlichen Mrd. einige hundert Millionen Menschen sich mit Fluchtgedanken befassen könnten, macht die Dimension der Herausforderungen deutlich, auf die wir alle eine Antwort finden müssen – bevor es zu spät ist.

Ein Hoffnungsschimmer und bemerkenswert, weil so überzeugend war der Besuch eines Gründerzentrums in Marokko, das von zurückgekehrten jungen Marokkanern betrieben wird.  Einer dieser Gründer hat zunächst in München ein erfolgreiches E-Business-Unternehmen aufgebaut und expandiert nun im Land seiner Eltern-der krasse Gegensatz zu den frustrierten und gewaltbereiten Jugendlichen in Köln-und eben auch Teil einer komplexen  Wahrheit, die oft so schwer zu fassen scheint.

Fazit: Besuche dieser Art sind auch und gerade in politisch angespannter Situation ein Muss. Wer nur kritisiert und alleine fehlende Menschenrechte anprangert, greift lediglich eine Facette eines höchst komplexen Gesellschaftssystems heraus ohne wirklich das Land und seine Strukturen verstanden zu haben – ihnen allen ist so ein Besuch und der Austausch mit Politikern und im Land lebenden Menschen zu empfehlen.

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